Warum ist der Galopp so schwer?

Immer wieder komme ich zu Pferd-Mensch-Teams, die Probleme mit dem Galopp haben. Unter dem Sattel oder bereits am Boden fällt es sehr vielen Pferden in fast jeder Rasse immer wieder schwer, die Balance zu finden. Dabei kann man nicht pauschal sagen, dass dieses Problem eher bei den schweren Pferden auftritt oder eher bei Kutschpferderassen vorkommt, denn nahezu in jeder Rasse gibt es immer wieder dieses Thema.

 

Um sich einmal darüber klar zu werden, was den Galopp eines Pferdes überhaupt ausmacht, hilft dieser Ausschnitt der FN: „Der Galopp gehört neben Schritt und Trab zu den Grundgangarten des Pferdes. Rennpferde erreichen im Galopp Spitzengeschwindigkeiten von über 70 Stundenkilometern. Ein Galoppsprung kann etwa sieben bis acht Meter Boden „gut machen“. Für diese Power-Gangart bringen Herz und Lunge des Pferdes Höchstleistungen. Bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 21 bis 30 Kilometer pro Stunde legen Pferde eine Strecke von 350 bis 500 Metern in der Minute zurück. Der Galopp ist auch die Gangart, die das Pferd als Fluchttier wählt, wenn es möglichst rasch einen Abstand zwischen sich und der Gefahr bringen möchte. Pferde können also aus dem Stand, bzw. vom Fleck weg in den Galopp springen.“

 

Die Natur des Pferdes zeigt uns hier ganz deutlich, dass es weder für das Reiten geschaffen wurde, noch zum Galoppieren auf einer gebogenen Linie geboren ist. Diese, für Pferde sehr abstrakte Sache, müssen wir ihnen erst lehren und das dauert bei dem einen eben länger, als bei dem anderen.

 

Vor allem junge Pferde zeigen am Anfang ihrer Ausbildung ein hohes Galopptempo, um sich zunächst in der Zentrifugalkraft an der Longe zu halten. Geschwindigkeit bringt Stabilität und da der Galopp wie für einen Geschwindigkeitsrausch gemacht ist, wird das Pferd ihn auch (zunächst) dahingehend nutzen.

 

Es gibt aber auch Pferde, die den Galopp in die Wiege gelegt bekommen haben und die von Anfang an verstehen, dass Geschwindigkeit keine Lösung ist, dementsprechend langsam(er) galoppieren und von sich aus einen schon sehr gesetzten Galopp mitbringen. Wer so ein Pferd hat, möge sich bitte freuen!

 

Neben der hohen Geschwindigkeit gibt es aber auch oft Pferde, die in den Galopp hinein „ballern“, wie von allen guten Geistern verlassen, dabei unheimlich Stress haben und auch sehr schwer wieder zu beruhigen sind. Sie legen sich wie ein steifes Brett komplett in Schieflage, sind weit entfernt von Durchlässigkeit und versuchen durch Spannung irgendwie ein paar Hüpfer zu schaffen. Diesen Pferden kann man es nicht übel nehmen, denn sie verstehen die dritte Gangart so, wie sie eigentlich gedacht ist: Als eine Power-Gangart, die mit Höchstleistungen einhergeht und vor allem für die Flucht geschaffen ist.

Viele Besitzer sagen mir, dass sie das Pferd erst einmal ganz in Ruhe traben lassen, dann den perfekten Moment abwarten, damit es jetzt mit viel Energie in den Galopp springt. Das sind super Ansätze für ein Pferd, das den Galopp schon in der Basis verstanden hat. Für ein noch ungeübtes Pferd ist diese Aufgabe allerdings viel zu schwer.

 

Den meisten Pferden fällt es viel leichter, mit einem hohen Trabtempo in den Galopp zu laufen. Manchmal muss man nach dem Stimm- und Peitschenkommando etwas abwarten, bis das Pferd seine Beine sortiert hat und den passenden Moment findet, um anzugaloppieren. Loben ist jetzt natürlich wichtig. Oft hilft es dann auch, so lange weiter zu machen, bis der Stress im Galopp nach lässt und dann alles langsam wieder runterzufahren. Macht man den Galopp immer nur selten und kurz und das Pferd behält seine Erwartungshaltung mit Stress, kann sie sich nicht abbauen und es wird beim nächsten Mal schlimmer. Mit steigendem Erfolg und sinkendem Stress kann dann mit der vorher beschriebenen Übung begonnen und der Galopp immer weiter gesetzt werden. Wenn das an der Longe ohne Reiter klappt, kann man im Sattel weiter üben.

 

Eine auch oft missverstandene Handhabung, ist das Angaloppieren aus einer starken Innenstellung heraus. Gerade auf der schlechten Hand wird die innere Schulter des ungeübten Pferdes blockiert und mit Gewicht belegt, sodass es in den falschen Galopp springt. Hier sollte man eine Anlehnung in Form eines Zauns oder der Bande geben, es im Hals gerade lassen und daraus angaloppieren. Es hilft auch manchmal eine Stange, um die Schulter anzuheben und einen „Anspring-Punkt“ zu finden.

 

Der Weg in einen guten Galopp führt manchmal erst über Umwege und Ausprobieren. Gerade das Hineinlaufen in den Galopp ist in vielen Reiterkreisen verpönt, denn ein Pferd dürfe das nicht tun. Dass dies manchmal die einzige Möglichkeit ist und alles andere viel mehr Stress macht, bleibt unbeachtet. Letztendlich ist die Technik schnurz egal, solange wir einen Weg finden, der dem Pferd das Galoppieren erklärt. Deshalb muss auch ich jedes Pferd und seine Problematik mit seinem Galopp individuell betrachten, ausprobieren und schauen, was funktioniert und was nicht.

 

Foto: Charlotte Gläser