Bahnfiguren reiten reicht nicht!

Manche Reiter pflegen sie mehr als andere, nicht jeder kennt sie alle auswendig, aber wir alle haben schon mal etwas von Hufschlag- oder auch Bahnfiguren gehört. Was einem jeden Reitanfänger gleich zu Beginn eingepflanzt wird, ist heute für uns alle total normal und dennoch unterschiedlich wichtig. Bahnfiguren verfolgen oder begleiten jeden Reiter ein Leben lang und fügen sich in unterschiedlicher Art in unser „Pferdemendendasein“ ein.

 

Wozu sind Hufschlagfiguren - trocken gesagt - eigentlich gedacht?

  • Sie ermöglichen es uns, die Linienführung der anderen Reiter vorherzusehen. Hierdurch können mehrere Reiter gleichzeitig im gleichen Viereck reiten.

  • Sie verlangen das präzise Reiten und geben in der Dressur die Vorgaben, wie sich die Paare auf dem Viereck zu bewegen haben. So bilden die Hufschlagfiguren auf Dressurturnieren die Basis, Teilnehmer miteinander vergleichen und bewerten zu können.

  • Sie geben Reitanfängern Orientierung, sich auf einem Reitplatz oder der Reithalle zu Recht zu finden und ermöglichen die Konzentration auf Reitaufgaben und Wege.
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  • Sie geben alternative Wege, um nicht immer nur außen herum zu reiten, sondern den vorhandenen Platz effektiv zu nutzen.

(Quellen: FN Verlag, Reiter Revue, St. Georg)

 

Wenn wir einmal versuchen, an den letzten Stichpunkt anzuknüpfen, haben Hufschlagfiguren vor allem die Gymnastizierung des Pferdes zum Ziel. Durch die verschiedenen Wendungen, Richtungen und Kombinationen wird das Pferd gleichmäßig auf beiden Händen gebogen und gestellt. Außerdem wird mal mehr, mal weniger Stellung und Biegung gefordert und durch Tempounterschiede auf den vorgegebenen Linien die Durchlässigkeit verbessert. Zudem sind Bahnfiguren perfekt, um die Kommunikation zwischen Pferd und Reiter, sowie die Rittigkeit an sich immer wieder aufs Neue zu überprüfen.

 

Jeder von uns kennt diese trockenen, immer wieder gepredigten Sätze über den Nutzen der Bahnfiguren, wie man sie reiten soll und von welchem Punkt zu welchem Punkt sie geführt werden. Gerade als Turnierreiter wird man zwangsläufig zum „Bahnpunkte-miteinander-verbinden-Profi“. Ich würde gerne wissen, wer von Euch Hufschlagfiguren akkurat und mit genau dem Ziel reitet, wie oben beschrieben!? Die wenigsten – mich absolut eingeschlossen.

 

Die Überschrift dieses Textes lässt erahnen, worauf ich hinaus will. Ganz oft bekomme ich zu hören, dass das Pferd sehr viel gymnatiziert wird, da man ganz oft und ganz viele Bahnfiguren reite. Das ist schön aber gymnatisziert ist das Pferd dadurch leider nicht.

 

Woran liegt das? Bahnfiguren reiten, also der vorgegebenen Linie der Figur zu folgen, reicht einfach nicht! Und leider geht das Wissen über die eigentliche Thematik der Bahnfiguren oft nicht hinaus. Wie auch? Die FN sagt: „Beim Reiten der Bahnfiguren wird das Pferd gestellt und gebogen, damit ist ein Pferd gymnastiziert.“

 

Leider muss man das oft falsch unterrichtete und damit falsch verstandene Thema genau anders herum aufziehen und es neu beschreiben:

 

Um die Gesunderhaltung des Pferdes sicher zu stellen, sollte ich mein Pferd stellen und biegen. Dies ist zwangsläufig notwendig, da ich auf einem Reitplatz in den Ecken abbiegen muss und dadurch gebogene Linien entstehen. Ein Pferd hat von Natur aus eine mehr oder weniger starke Händigkeit, die die eine Körperseite gedehnt und fast hypermobil macht, die andere verkürzt und dadurch zur inneren Seite schlecht dehnen lässt.

 

Unsere Aufgabe ist es, die mobile Seite zu stärken, damit sich die Muskeln kompensieren können und die verkürzte Seite zu dehnen. Das Ziel ist die Angleichung beider Hände und damit die Geraderichtung. Ich brauche dafür eine Menge Seitengänge, ganz viel Gefühl und viele gebogene Linien, auf denen ich das Pferd korrekt forme, sodass eben genau das oben beschriebene passiert.

 

Glaubt Ihr, dass ein Pferd, welches diese Ausbildung noch nicht genossen hat, beim Reiten von Bahnfiguren von selbst darauf kommt und sich automatisch stellt und biegt? Ich auch nicht.

 

Nach dem Erlenen, der seitwärts treibenden Hilfen, können wir nun einen Schritt weiter gehen und uns an etwas schwierigere Aufgaben wagen, wie zum Beispiel der einfachen Bahnfigur „Aus dem Zirkel wechsel“ oder anders gesagt, einer Acht. Dabei frage ich zunächst die Stellung und Biegung der einen Hand ab, richte das Pferd in der Mitte gerade und wechsele dann auf die Stellung, Biegung und Kreislinie der anderen Hand. Klappt dies im Schritt, kann man es im Trab versuchen.

 

Wenn man überlegt, dass man bei einer „einfachen“ Schlangenlinie den Wechsel der Stellung gleich zweimal vollziehen muss, kann man schon nicht mehr von „einfach“ sprechen (natürlich ist hier die Anzahl der Schwünge gemeint, aber auch das ist irreführend).

 

Man könnte also sagen, dass wir Bahnfiguren nutzen können, um die Stellung und Biegung auf einer vorgegeben Linie zu üben oder anzuwenden. Und genau diese Tatsache erfordert eine viel höhere Voraussetzung an die Ausbildung von Reiter und Pferd. Die Grundlage dessen basiert überhaupt nicht auf der Bahnfigur, sie lehrt weder dem Reiter noch dem Pferd etwas.

 

Leider, leider, leider (ich wiederhole mich) ist dieser schön gedachte Leitfaden: „Ich reite Bahnfiguren und meine Welt ist in Ordnung“, ein Trugschluss, der sich immer noch hartnäckig in der Reiterwelt festhält und zu vielen Ausbildungslöchern der Pferde führt.

 

Denkt bei der nächsten Bahnfigur also darüber nach, ob ihr auch wirklich alle gebogenen Linien ausschöpft, die sich daraus ergeben.